Der Prinzessinnengarten am Moritzplatz in Berlin-Keuzberg (dpa)

"Urban Gardening": Die Lust am Gärtnern

 

Früher wurde Gärtnern oft als spießig angesehen, heute liegt es voll im Trend. In etlichen deutschen Städten stellen Bürger ihren grünen Daumen unter Beweis. Soziologen haben für das Phänomen einen Namen gefunden: "Urban Gardening".

 

Die neue Lust am Gärtnern beschränkt sich nicht nur auf Metropolen wie Berlin oder München. Auch in Kleinstädten wie Dessau wühlen Bürger in der Erde. Experten meinen: Dabei geht es nicht nur um Zeitvertreib oder den Rückzug aus dem hektischen Alltag, das Gärtnern ist auch politisch.

 

Im trubeligen Berlin-Kreuzberg liegt der Prinzessinnengarten. Autos düsen vorbei, die nah gelegene U-Bahnstation spuckt regelmäßig Passanten aus, an den angrenzenden Gebäuden prangt Graffiti. Von all dem merkt man auf den 6000 Quadratmetern des Gartens wenig. Aus Kisten, Kübeln und Säcken sprießt teils meterhohes Gemüse - natürlich alles bio. Der Garten sei allerdings mehr, sagt Marco Clausen, einer der beiden Initiatoren. "Wir verstehen uns auch als soziales und ökologisches Projekt." Der Garten wird regelmäßig zum Nachbarschaftstreff - Anwohner des sozial schwachen Kiezes arbeiten aktiv im Garten mit. "Wir wollen Menschen zusammenbringen."

 

Dass es um mehr als nur spaßigen Zeitvertreib geht, sagt auch die Soziologin Christa Müller, die dem Trend in einem Buch auf die Spur gegangen ist. "Diese Menschen wollen politisch auf ihren Nahraum wirken." Allerdings seien die Stadtgärtner Teil einer "post-demokratischen Generation". Statt das System zu kritisieren, nähmen sie das Ruder kurzerhand selbst in die Hand.

 

Auch Naturschützer beobachten diesen Trend. "Das Umweltbewusstsein der Deutschen steigt seit Jahren", sagt der BUND-Referent Herbert Lohner. Vor allem Städter nähmen ihre Wohnumgebung neu für sich ein - etwa indem sie Baumscheiben vor der Haustür begrünten.

 

Eine besondere Form hat die Gemeinwohlsorge in Dessau angenommen. Die Stadt in Sachsen-Anhalt schrumpft seit Jahren rapide. Vielerorts sind Freiflächen entstanden, zudem fehlt das Geld, um sich um das städtische Grün zu kümmern. Kurzerhand hat die Stadtregierung neue Akteure ins Boot geholt: die eigenen Bürger. Firmen, Initiativen und Anwohner können nun Parzellen nach eigenen Ideen gestalten.

 

Ortswechsel: Auf dem stillgelegten Tempelhofer Flugfeld im Süden Berlins stehen etwa 400 mobile Hochbeete. Bürger können eine Parzelle mieten, um dort Blumen, Kräuter und Gemüse anzubauen. Die Nachfrage ist ungestillt - Platz fehlt indes. Experten zufolge spielt aber auch die Globalisierung dem Trend in die Hände: Die Welt werde zunehmend als unübersichtlich erlebt, deshalb steige die Sehnsucht nach Heimat - dafür stehe auch der Garten.

 

Für die Soziologin Müller steht fest: Immer mehr Menschen zögen in Metropolen, darum müssten auch neue Konzepte für eine bessere Lebensqualität entwickelt werden. Die Bürger müssten dabei mit einbezogen werden. "Die Stadt der Zukunft ist grün." Das interessante an den Gartenprojekten sei, dass sich beim Gärtnern Generationen und unterschiedliche soziale Milieus träfen.

"Der Garten birgt ein unwahrscheinliches Potenzial für ein besseres Zusammenleben."

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